Auch wenn bei meinem Nachnamen jeder denkt, ich müsse quasi im Fußballstadion groß geworden sein („Nein, nicht mit ‚ck‘“, El A Doppel T Eh Ka“. „Ach so, wie Udo Lattek“) – nein, ich mag Fußball überhaupt nicht. Zwar weiß ich aus der Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung an einer Journalistenschule noch, was eine Blutgrätsche ist und wer das erste Golden Goal schoss, doch ansonsten gehe ich diesem Sport geflissentlich aus dem Weg. So war ich auch alles andere als traurig, dass meine Reise nach Ladakh letzten Sommer genau mit der Fußballweltmeisterschaft zusammenfiel, obwohl selbst einige Freundinnen mitleidig bemerkten „Dann verpasst du ja die WM!“. Ist doch klasse, weder vollgestopfte U-Bahnen, weil alle zum Public Viewing fahren, noch Restaurantbesuche mit Großleinwand und „Tor“-Gegröle.
Weit gefehlt. Schon bei meinem ersten Bummel durch Leh fielen mir die ganzen Schilder vor den Lokalen auf. „Fifa World Cup Today’s Match at 9:30“ oder „Fifa Kick-Off“. Gab’s hier oben im Himalaya etwa auch Public Viewing? War ich aus Versehen in einer Touristenhochburg à la Lloret de Mar gelandet? Für die westlichen Touristen konnte das nicht sein. Die wenigen, die zu dieser Jahreszeit schon den Weg hierher gefunden hatten, waren eher die klassischen Hippie-Backpacker mit Gitarre am Rucksack, die Abends lieber auf dem Balkon einen Joint rauchten und ein Bier tranken, aber mit Sicherheit nicht Fußball guckten.
Fußball verbindet: Public Viewing in Ladakh und ältere Herren mit Ronaldino-Strohhut
Wie sich herausstellte, waren dafür die Ladakhis total fußballverrückt. Ebenso wie die Nepalesen, die einige der Gartencafés betrieben und dort abends ihr kleines Public Viewing veranstalteten. Und wie der Pashminahändler Abraham, den ich jeden Tag mindestens zweimal traf, wenn ich zwischen Changspa und Zentrum unterwegs war und der mir immer zurief „Hello Germany, good team!“ Egal, mit welchem Shopbetreiber oder Cafébesitzer ich ins Gespräch kam, sie gratulierten mir immer, wenn die deutsche Elf eine Runde weiterkam. Wer hätte das gedacht, lauter Fußballnarren in einem der entlegensten Winkel der Welt. Selbst der schätzungsweise 70-jährige ehemalige Bergführer, den wir im Gartenrestaurant des Klosters von Likir kennenlernten, trug mit Stolz seinen Ronaldino-Strohhut.
Apropos Klöster. Auch buddhistische Mönche lieben Fußball. Der diensthabende Mönch im Kloster von Rizong beispielsweise erzählte, wie sehr er Fußball mag. Und dass es in der angeschlossenen Schule einen Fernseher gäbe, wo sie sich das ein oder andere Spiel ansehen können. Ob sie dabei auch einen Fanschal anlegen und ein kaltes Bier trinken dürfen? Wohl eher nicht …
„Kick it like Beckham“ mit dem jungen Rinpoche von Spituk
Dass Mönche zuweilen auch selber gerne Fußball spielen, zumindest die Novizen und die Teenager, hatte ich schon bei meinen Reisen durch Südostasien festgestellt. Kickende junge Mönche mit wehender orangefarbener Kutte im Innenhof der Mönchsquartiere waren keine Seltenheit. Dass ich selber einmal mit einem Mönch Fußball spielen sollte, hatte ich damals noch nicht geahnt. Und zwar mit dem jungen Rinpoche in Spituk, über den ich im letzten Blogpost berichtet hatte, und dem ich einen zweiten Besuch abstattete.
Eigentlich hatte ich gar nicht geplant, noch einmal nach Spituk zu fahren. Aber manchmal kommt es anders als man denkt. Leh war wie ein Dorf und wenn man länger dort war, lief man immer denselben Leuten über den Weg. So stieß ich am Tag nach der Rückkehr aus Thikse auch direkt wieder auf Sheila, die ehemalige Krankenschwester und Vielleicht-werde-ich-buddhistische-Nonne aus London. Sie saß im Café Yama bei einem Cappuccino und war gerade dabei, mit drei anderen Frauen einen viertägigen Klostertrip zu planen. Eigentlich hatte ich ja vor, ins Nubra Valley zu fahren und dem legendären Pangong Lake, dem auf über 4.000 Meter an der Grenze zu Tibet gelegenen Salzsee, einen Besuch abzustatten. Aber die Aussicht, einige der entlang des National Highway Number One Richtung Kaschmir gelegenen Klöster zu besichtigen, war auch sehr reizvoll.
Offenbar hatte ich jedoch verpasst, dass das erste Kloster auf dem Programm Spituk war. Als wir am Flughafen vorbei fuhren und links abbogen, war ich zunächst nicht so happy. Da war ich doch neulich erst. Doch es sollte sich lohnen. Unser erste Anlaufstelle war der Haupttempel, vor dem eine ladakhische Großfamilie wartete, die Frauen herausgeputzt in der landestypischen Tracht, mit Blumen in der Hand, wie bei der großen Zeremonie neulich Sonntags. War heute wieder etwas Besonderes hier? Die Familie hatte offenbar eine Art Audienz beim jungen Rinpoche, der plötzlich mit einem seiner Begleiter aus einem Raum am anderen Ende des Innenhofs kam und der Familie folgte.
Eine meiner Begleiterinnen, Mary, war völlig aus dem Häuschen, als ich ihr erzählte, um wen es sich da handelt. Sie wollte unbedingt eine Segnung von ihm. Als der Rinpoche zusammen mit seinem Begleiter zurückkam, sprach sie diesen einfach an. Und wir durften dem Rinpoche einen Besuch abstatten in seinen Gemächern. Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, als wir das erste Zimmer betraten. Das typische Zimmer eines 8-jährigen, mit einem bunten Sammelsurium an Spielsachen. Am meisten faszinierte mich das gelbe Rennauto. Ob der Rinpoche damit über den Hof fuhr, wenn die Besucher weg waren? Inzwischen hatte der Junge einen Fußball aus dem Regal genommen und ging ins Nebenzimmer. Und bedeutete uns, mitzukommen. Zu einem kleinen Fußballmatch. Wir kickten und kickten. Und freuten uns über jedes Tor, yeah!
Ich muss immer noch schmunzeln, wenn ich an diese Szene denke. Achtjährige Jungen sind eben achtjährige Jungen, egal ob sie die Re-Inkarnation eines Lama sind, die per Orakel ausgewählt wurden und auf die große Aufgaben als geistiges Oberhaupt eines Klosters warten. Fußball verbindet, selbst ich als Fußball-Antiheld hatte großen Spaß bei diesem kleinen Intermezzo.
Warum auch der zweite Besuch in Spituk insgesamt ein besonderes Erlebnis war, lest Ihr im nächsten Blogpost. Einen schönen Sonntag!
Alexander
15. März 2015 at 23:32Dazu empfehle ich dir den Spielfim “Spiel der Götter” ist von 1999, ein toller Film über junge Mönche und Fussball …
Alexandra
16. März 2015 at 7:42film ist auf meiner liste, muss ich mir unbedingt endlich einmal anschauen! im oktober im br habe ich es leider verpasst.