“Don’t worry, be Hampi” – an den Verkaufsständen in Hampi Bazaar kann man nicht nur T-Shirts mit Che Guevara- oder Bob Marley-Konterfei kaufen sondern auch mit diesem bezeichnenden Sprüchlein. In der Stadt des Sieges sind alle happy, entweder vom Ganja-Rausch oder von der relaxten Atmosphäre. Alles ist easy going, keiner hat es eilig, die Gluthitze, die tagsüber über dem Dorf und den Felsen des riesigen Ruinenfelds wabert, lässt einen unweigerlich einen Gang herunterschalten. Die meisten kommen erst am Nachmittag aus ihren Gästehäusern hervor. Wer sich eine der hübscheren Unterkünfte in Virupapuragadda auf der anderen Seite des Tungabhadra-Flusses geschnappt hat, idyllisch gelegen inmitten von Reisfeldern, mit Blick auf den Fluss, bleibt auch gerne mal einen Tag zum Ausspannen dort.
Neill und ich hatten leider keine Zeit. Weder, um mit den langbärtigen, in orangefarbene Gewänder gehüllten Sadhus und den dauerbekifften, bongospielenden Rastafaris auf einem der zahlreichen Felsenhügel der Sonne oder dem Mond entgegenzutanzen, noch um in einem der zahlreichen Flusscafés unter Palmen in den Tag hineinzuträumen. Uns blieben nur 36 Stunden in diesem mythischen Fleckchen Erde. Ich weiß heute noch nicht, wie es dazu kommen konnte, dass ich nicht mindestens eine Woche für Hampi eingeplant habe. Am Ende meiner ersten Etappe in Indien wurde irgendwie alles etwas eng. Und das alles nur, weil ich mir eingebildet hatte, Weihnachten in Goa unter einer Kokospalme liegen zu müssen. Wie alle Backpacker, die um diese Zeit in Indien unterwegs waren, so auch Neill.
Turbo-Sightseeing – Hampi in 36 Stunden
Also legten wir bei unserem Sightseeing-Programm den Turbo ein. Nach dem Nutella-Pancake-Masala-Chai-Frühstück stand der Neffe des Hauses pünktlich mit seiner Rikscha vor der Tür. Zwei Tage hatten wir, um das 26 Quadratkilometer große Areal zu erkunden. Erscheint unmöglich. Wir haben alles geschafft, bis auf den Hanuman-Tempel und das kleine Dörfchen Anegondi, das noch älter ist als Hampi und bekannt ist für seine Festung und die beiden Tempel Huchchappa Matha und Ranganatha. Wer keine Angst vor nassen Füßen hat, kann sich mit einem der kleinen, kreisrunden Boote aus Korb übersetzen lassen, die aus der Ferne aussehen wie überdimensionale Schildkröten und die angeblich auch problemlos Fahrräder und Gepäck über den Fluss transportieren. Sehr vertrauenserweckend sahen diese Schüsseln nicht aus. Den Hanuman-Tempel haben wir zumindest aus der Ferne gesehen, die weißen Stufen, die zum Geburtsort des Affengottes führen, und der weiße Tempel heben sich schon von weitem von den ockerfarbenen und rotbraunen Felsen ab.
Wahrscheinlich hätte ich sowieso alleine die 600 Stufen zum Tempel erklimmen müssen, den Neill war nicht schwindelfrei. Der Matanga Hill, unsere erste Anlaufstelle, ein Katzensprung von Hampi Bazaar entfernt, auf dessen Gipfel der prachtvolle Achyutharaya-Tempel trohnt, war auch für schwache Nerven geeignet. Man konnte nämlich von einer Seite mit der Rikscha fast ganz heranfahren. Im Gegensatz zum Hemakuta Hill. Um auf den Gipfel des mit kleinen, noch aus der Vor-Vijayanagar-Zeit stammenden Tempeln übersäten Berges zu gelangen, musste man schon etwas abenteuerlustiger sein. Als die Serpentinen immer schmaler wurden und sich zu einer Seite der Abgrund zeigte, kniff mein Begleiter und trat den Rückweg an.
Wer schon öfters mit mir in den Bergen war weiß, dass ich manchmal auch nicht ganz schwindelfrei bin, aber hier hatte mich jetzt der Ehrgeiz gepackt. Oder besser gesagt, ich wollte unbedingt die surreale Felsenlandschaft von oben sehen. Der Angstschweiß hat sich gelohnt, der Ausblick war phantastisch. Der Haupttempel von Hampi Bazaar, die ehemalige Prachtallee, die zum Tempel führt, der Fluß, die grünen Bananenplantagen und dann überall diese Felsbrocken, einfach überwältigend. Neill zitterte übrigens immer noch, als ich wieder unten bei unserer Rikscha ankam.
Rikscha oder Fahrrad?
Apropos Rikscha, das Sightseeing mit diesem dreirädrigen Gefährt war übrigens sehr komfortabel. Wie in Angkor kann man auch das Areal rund um Hampi mit dem Fahrrad erkunden, was auch tatsächlich viele Touris machen. Die westlichen wohlgemerkt, die indischen Touristen kämen niemals auf die Idee, sich bei 35 Grad und gleißender Sonne mit dem Drahtesel die hügeligen Straßen hinaufzuquälen. Es war so schon anstrengend genug, über die weitläufigen Ruinenfelder zu laufen. Wir trafen auch hauptsächlich auf Einheimische, das Gros der Backpacker hatte sich bereits aufgemacht nach Goa oder Gokarna. Es sei gerade Saure-Gurken-Zeit, erfuhren wir später, die Hauptreisezeit ging erst Mitte Januar wieder los.
Unser Glück, denn so blieben uns auf unserer Tour die Massen erspart und wir konnten wunderbare Fotos schießen von den Überbleibseln einer vergangenen Zeit. Von den Ruinen der Königspaläste, dem Lord Vishnu geweihten Vitthala-Tempel und dem Lotus Mahal. Und von den Gopurams, das sind die Tortürme am Eingang zu den Tempeln. Die waren gerade noch niedrig genug, damit sich Neill ebenfalls traute, die schmalen Treppen hoch zu gehen. Wir fühlten uns wie einst die Spähposten des Königs, die nach dem Feind Ausschau hielten. Natürlich mussten auch wir das bekannteste Hampi-Motiv ablichten: die Statue von Narasimha. Narasimha ist halb Mensch, halb Löwe und eine der zehn Inkarnationen von Lord Vishnu. Mit meiner Schlangenphobie fand ich diesen im Schneidersitz auf einer siebenköpfigen Schlange hockenden Gott reichlich furchteinflößend, die hervorquellenden Augen taten ihr übriges dazu.
Wir wurden übrigens auch immer wieder fotografiert, von den einheimischen Touristen. “Where are your from?”, “What’s your good name?”, diese Fragen kannten wir schon. Als wir in das Bimmelbähnchen stiegen, das uns vom Haupteingang in das weitläufige Gelände des Vitthala-Tempels bringen sollte, gaben wir den Jungen in ihrer blauen Schuluniform, die mit uns fuhren, natürlich gerne Auskunft. Viele Bleichgesichter wie uns hatten sie offenbar noch nicht gesehen, sie schauten uns immer wieder ungläubig an und lachten über uns. Vielleicht denken sie, wir seien krank, weil wir so weiß sind, flüsterte Neill mir zu.
“Happy in Hampi” im Mango Tree Restaurant
Ein bisschen Seele baumeln und Relaxen am Fluss haben wir dann doch noch in unseren strengen Zeitplan einbauen können. Vom Vitthala-Tempel, der übrigens für seine musizierenden Säulen bekannt ist, ging ein Fußweg am Fluss zurück nach Hampi Bazaar, wunderschön. Wir konnten uns hier die ulkigen Boote noch einmal aus der Nähe angucken und wunderten uns, wie man damit von der Stelle kommt. An den Ghats lagen überall bunte Saris, Großwaschtag. Wie gerne hätten wir hier schon in einem der netten Cafés einen Rast eingelegt. Aber unser Rikschafahrer wartete auf uns.
Außerdem wollten wir unbedingt ins Mango Tree Restaurant, das war “the place to be”. Abgesehen von den unzähligen Mücken, die um uns herumschwirrten, war dies tatsächlich ein malerisches Fleckchen, der Lonely Planet hatte nicht zu viel versprochen. Ein schattiges Plätzchen unter einem der Mangobäume auf der stufenförmigen Terrasse mit Blick auf den Fluss, ein kaltes Fresh Lime Soda und ein köstliches Thali, hier hätte ich stundenlang sitzen bleiben können. Das Mango Tree Restaurant ist übrigens auch bekannt für seine Nutella-Spezialitäten, dem Vorrat an Gläsern nach zu urteilen, gehen Nutella-Pfannkuchen auch bei der Hitze gut weg.
Virupaksha-Temple und Lakshmi, der Tempelelefant
Irgendwann mussten wir jedoch leider weiter ziehen. Wir mussten uns noch um unsere Weiterreise nach Goa kümmern und natürlich konnten wir nicht abreisen, ohne den Virupaksha-Tempel besucht zu haben. Der Tempel ist DAS Heiligtum in Hampi Bazaar, von überall sichtbar, beispielsweise von den Roof-Top-Restaurants, in denen ich abends meine tibetischen Momos aß und der einlullenden Reggae-Musik lauschte, die hier den ganzen Tag gespielt wird. Der Tempel ist noch aktiv und Anziehungspunkt für Massen von Pilgern aus ganz Südindien. Eigentlich ein Tempel wie viele andere auch, aber dieser ist besonders, denn hier ist die Elefantendame Lakshmi zu Hause. Wer morgens früh am Fluss unterwegs ist, hat vielleicht Glück und kann dabei zusehen, wie sie gebadet wird. Ob die alte Dame ein wasserfestes Make-up hat oder die hübsche Verzierung auf dem Rüssel jedes Mal wieder aufs Neue aufgemalt wird?
Leider war ich etwas spät dran und es wurde schon dämmrig. Die meisten Tempel schließen ihre Pforten nach Einbruch der Dunkelheit und der Kassenwärter gab mir zu verstehen, ich solle mich beeilen. Also raus aus den Schuhen, eine kleine Runde drehen, den Affen, die hier überall ihr Unwesen treiben, bei ihren Mätzchen zuschauen und Ausschau nach Lakshmi halten. Die war leider schon im Feierabend. Mehr als ein Foto von ihr war nicht drin. Für die Zeremonie, bei der man der Elefantendame ein paar Rupienscheine in den Rüssel klemmt, diese das Geld an ihren Pfleger weiterreicht und einen dafür mit dem Rüssel “segnet”, war leider keine Zeit mehr. Ein Grund mehr, noch einmal nach Hampi zu kommen!
Ob es uns gelang, rechzeitig zu Weihnachten nach Goa zu kommen, erzähle ich beim nächsten Mal, bis bald!