Als Backpacker läuft man immer ein bisschen Gefahr, zu „verlottern“. Auch wenn man wie ich gleich mit zwei Rucksäcken unterwegs ist (der kleinere war aber wirklich nur wegen der Trekkingtour in Nepal dabei): für Glätteisen oder Ondulierdüse, Epilierer, Makeup-Set und sonstige Verschönerungswerkzeuge ist trotz diverser Seiten- und Aufsetztaschen in der Regel kein Platz. Das einzige Luxusgerät, das ich dabei hatte, war ein kleiner Fön. Den ich aber kaum nutzen konnte, da abends meistens der Strom ausfiel. Gut, dass es in Indien an jeder Ecke ein „Beauty Parlour“ gibt. Und ich vor meiner Busfahrt nach Mysore noch ein paar Stunden Zeit hatte, also: auf in den Schönheitssalon!
Beauty-Salons in Hülle und Fülle
Schönheitssalons gibt es in Indien angeblich um die 60.000. Ich habe das Gefühl, es müssen viel mehr sein. In jedem noch so abgelegenen Ort lächeln indische Schönheiten von großen, bunten Plakaten und werben für „Swany Beauty Parlour“, „Maarena Beauty Care“ oder „Naaz Herbal Beauty Parlour“. Maniküre, Pediküre, Gesichtsbehandlung – die indische Frau will schön aussehen. Der Besuch im Schönheitssalon gehört selbst für die weniger Betuchten dazu. Ich habe gelesen, dass sogar in den Slums der Großstädte Beauty-Salons wie Pilze aus dem Boden sprießen. Wenn das Geld für die Miete eines separaten Raums nicht reicht, wird auch kurzerhand das eigene Wohnzimmer zur Beauty-Oase für die Nachbarinnen umfunktioniert, die sich hier für ein paar Rupien den Luxus einer Schönheitsbehandlung gönnen.
„Whitening“ – ein fataler Trend
Es gibt übrigens mindestens genauso viele Schönheitssalons für den Herrn – „Gents Beauty Clinic“ – der indische Mann will auch gut aussehen und lässt sich gerne außer Haus rasieren und den Schnurrbart stutzen. Oder die Haut bleichen. Denn „Whitening“ gehört auch zum Standardrepertoire dieser Institutionen, wahlweise mit Bleichcreme oder mit einem Sandgebläse. Und ist bei indischen Frauen und Männern gleichermaßen beliebt.
Das Ganze ist eigentlich ziemlich traurig. Weiße Haut gilt in Indien nicht nur als Schönheitsideal, sondern entscheidet über den Erfolg auf der sozialen Leiter. Je weißer die Haut, desto besser die Chancen auf einen guten Job und Anerkennung. Und den passenden Ehepartner: In Heiratsannoncen wird meistens darauf hingewiesen, dass nur Kandidaten mit „fair skin“ eine Chance haben. Auch in Bollywood haben die hellhäutigen Stars immer noch das Sagen. Wer sich schon einmal eine Hindi-Schmonzette angeschaut hat, wird wenige dunkelhäutige Schauspieler auf der Leinwand gesehen haben. Und Bollywood-Stars wie Shah Rukh Khan machen auch gerne Werbung für Bleichcremes.
Das Bleichen der Haut hat eine lange Tradition in Indien, die Kolonialisierung lässt grüßen. Erst kamen die Mogule, dann die ganzen Europäer, alle mit heller Haut. Bevor Unilever, Niveau & Co Ende der Siebziger Bleichcremes mit so bezeichnenden Namen wie „Fair & Handsome“ oder „Fair & Lovely“ – also „Hell & Schön“ – in die Regale der Supermärkte brachten und damit heute mehr Umsatz machen als Coca Cola, rieben sich die Frauen mit einer Mischung aus Kurkuma und Zitrone ein, um ihre Haut aufzuhellen.
Angeblich rennen heute schon Schülerinnen zur Whitening-Session ins Kosmetikstudio. Jedes Jahr werden über 200 Tonnen dieser Cremes verschmiert. Der neueste Renner: Bleichcremes für die „private parts“ … Inzwischen gibt es glücklicherweise eine Gegenbewegung, die dem „Weißwahn“ ein Ende bereiten will, die „Dark is beautiful“-Kampagne. Denn die Bleichcremes sind, wen wundert es, gesundheitsschädlich. Von dem impliziten Rassismus gegen die eigenen Landsleute ganz zu schweigen …
Wer mich kennt, weiß: Ich bin wirklich sehr hellhäutig. Im Nachhinein wundert es mich nicht, dass die indischen Frauen, mit denen ich beim Warten in diversen Tempelschlangen ins Gespräch kam, mich immer wieder am Arm anfassen wollten und mich auf meine Haut ansprachen. An einer Bleichbehandlung konnten die Damen des Beauty Parlours in Fort Cochin nichts mit mir verdienen. Aber es gab noch einiges anderes im Repertoire: Ich entschied mich für eine Gesichtsbehandlung inklusive Augenbrauenzupfen. Mit Zwirn. Das kannte ich schon vom türkischen Friseur am Kurfürstenplatz, zwirbelt noch mehr als mit der Pinzette, hält aber wirklich lange!
Dann lieber ein Mehndi – auch wenn die Henna-Tattoos eigentlich Hochzeitsschmuck sind
Aber vorher gab es noch ein Henna-Tattoo. Jawohl, das musste sein. Ich hatte schon bei so vielen Inderinnen – und mindestens ebenso vielen Backpackerinnen – die „Mehndis“, so heißten die Henna-Tattoos, bewundert. Paislymuster, Blumenmuster, Ornamente. Manche Damen lassen sich auch den Namen des Liebsten „tätowieren“, in Sanskrit. Der künstlerischen Freiheit sind keine Grenzen gesetzt. Dass die Henna-Malereien eigentlich in erster Linie ein Brautschmuck sind, erfuhr ich erst später, als mich der nette, ältere Rikschafahrer in Mysore fragte, ob ich auf einer Hochzeit gewesen sei.
Egal, ich war weder zu einer Hochzeit eingeladen, noch hatte ich vor, in den nächsten Tagen in den Stand der Ehe zu treten. Ich wurde schnell fündig in dem Heftchen mit den vielen Mustern, das mir die junge Henna-Künstlerin in dem kleinen Salon in der Burgher Street in die Hand drückte. Als sie mit der braunen, krümeligen Paste und einer Art Miniatur-Torten-Spritzbeutel loslegte, bekam ich Gesellschaft. Eine Schwedin – noch blonder und hellhäutiger als ich – gesellte sich dazu. Während meine Hände, Unterarme, Füße und Unterschenkel mit der Henna-Paste verziert wurden, unterhielt ich mich mit ihr. Sie war auf der Durchreise nach Dharamsala. Dort lebt ihr Freund, der hat dort ein Hotel. Sie habe ihn kennengelernt, als sie als Backpackerin dort war und pendle jetzt immer. Eine sehr übliche Konstellation, sagte sie, sie kenne viele Nordeuropäerinnen und Amerikanerinnen, die auch dort „eingeheiratet“ haben und entweder ganz dort leben oder zumindest die Hälfte des Jahres.
Kurze Entwarnung an alle, die wissen, dass Dharamsala bei meinem Indien-Trip im März ganz oben auf dem Programm steht: Nein, ich werde dort keinen Hotelier heiraten und nicht ins Nachbarhaus des Dalai Lama ziehen. Und mir nicht im himalayanischen Winter ohne Heizung den Hintern abfrieren. Wobei: Dann könnte ich das mit den Henna-Tattoos vielleicht noch mal versuchen. Denn das Resultat meiner Premiere war nicht sehr vielsprechend. Davon abgesehen, dass die Farbe mehr blassorange als dunkelbraun herauskam, was auf meiner hellen Haut nicht wirklich gut aussah, verblasste der Spaß nach nur wenigen Tagen. Ganz schlecht: Traditionell muss die Braut solange keine Hausarbeit verrichten, bis das Tattoo verblasst ist. Meistens halten sie 14 Tage. Ich fürchte, ich hätte schon nach einer Woche wieder den Staubsauger in die Hand nehmen müssen.
Tattoo leider etwas verunglückt
Und: Je dunkler die Farbe, desto heißer die Liebe. Hmmm. Das klang ebenfalls nicht vielversprechend. Zwar hat die Henna-Künstlerin das Kunstwerk mit irgendeiner Tinktur eingerieben, aber ich glaube, es war Öl anstatt Limettensaft mit Zucker. Damit reiben sich manche Bräute ein, damit das Tattoo so lange wie möglich dunkel bleibt (und das Staubtuch und der Putzlumpen möglichst lange von jemand anderem geschwungen werden). Nachdem ich mich für die nächtliche Busfahrt mit langen Klamotten ausrüsten musste, hatte ich die Kruste außerdem schon am späten Nachmittag wieder abgewaschen. Eigentlich soll man das erst am nächsten Morgen machen. Und dann mit Senföl einreiben. Hatte ich irgendwie auch nicht in meinem Rucksack dabei. Also Doppelfehler.
Meine Landlady aus dem Honululu Homestay war mit dem Ergebnis jedoch nicht ganz so unzufrieden wie ich. Als ich nach Hause kam, um mein Gepäck zu holen, fiel ihr Blick sofort auf meinen neuen Körperschmuck. Sie war zunächst sehr kritisch: Wo ich das habe machen lassen, wieviel ich bezahlt habe. Und dass ich das nächste Mal zu ihr kommen sollte. Sie sei auch ausgebildete Henna-Künstlerin. Okay, sollte ich doch in Dharamsala heiraten, werde ich vorher auf jeden Fall einen Abstecher nach Fort Cochin machen für die Mehndis. Mit meinen Freundinnen aus München im Gepäck, denn die Bridesmaids werden nach der Tradition auch mit Henna bemalt. Ich werde es euch wissen lassen, wenn es soweit ist. Vorher geht es an dieser Stelle aber weiter mit dem Nachtbus nach Mysore. Bis nächste Woche, mich ruft jetzt der „Polizeiruf“!
Bildnachweis: © oneindia.in