Nach unserem Ausflug zur Top Station zog ich um ins Glenmore Resort. Hier hatte ich zwar keinen Blick mehr auf die Teeplantagen, dafür wohnte ich fast im Dschungel respektive auf einer Kardamonplantage. Im Garten wuchs auch Kaffee, und ein paar andere Gewürze. Ich gönnte mir zur Abwechslung ein „Deluxe-Zimmer“ – das heißt, es besaß ein großes Fenster, das zum Garten hinausging und Licht hineinließ – und freute mich nach der Muffelkammer in der Nacht zuvor über die trockene Bettwäsche. Ganesh musste mich oben an der Straße absetzen, mit der Rikscha hätten wir uns auf dem steilen Dschungelpfad wahrscheinlich überschlagen. Aber die Glenmore Resortler waren so nett und sammelten mich mit ihrem Jeep ein. Auch hier war ich übrigens die einzige Backpackerin, außer mir gab es noch ein indisches Ehepaar um die 50, dann sichtete ich noch ein paar dauerkichernde Twens, die in Ernakulam in einem Hotel arbeiteten und sich spontan für das Wochenende hier einquartiert hatten.
Am nächsten Tag ging ich mit Ganesh zum Trekken. Schließlich sollte es sich ja gelohnt haben, dass ich meine hochalpinen Wanderstiefel bereits seit Wochen bei durchschnittlich 37 Grad durch das tropische Südindien schleppte. Wenn nicht hier, wo dann: Munnar liegt in den Western Ghats, einer Gebirgskette, die sich über fast 1.600 Kilometer parallel zu Küste erstreckt und durchaus ein paar eindrucksvolle Berge zu bieten hat. Die gehören seit 2012 sogar zum Weltkulturerbe. Als passionierte Gipfelstürmerin hätte ich mir ja eigentlich den Anamudi aussuchen müssen. Der war der höchste Berg Südindiens und reichte mit seinen knapp 2.700 Metern immerhin fast an die Zugspitze heran.
Wir erklommen jedoch nicht den Anamudi, sondern entschieden uns für eine kleinere Variante. Darüber war ich letztlich ganz froh, denn hier hatte kein Alpenverein die Wege präpariert. Wo es in den Alpen mindestens Drahtseile oder Stufen gegeben hätte, kletterten wir auf dem nackten Fels Richtung Gipfel. Da halfen auch die Bergstiefel nicht, ich kam mir vor wie auf Eiern. Der Fels war so rutschig, dass es immer wieder einen Schritt vor und drei zurück ging. Im Gegensatz zu mir schwebte Ganesh wie eine Gazelle den Berg hinauf – in seinen hellblauen Badelatschen. Die hatten mit Sicherheit keine Vibramsohle. Da sieht man mal wieder, wie überbewertet das ganze Bergequipment ist. Vielleicht trainiere ich künftig einfach mal ein paar Wochen bei einem indischen Bergfex und dann gehe ich das nächste Mal in meinen Blümchen-Havaianas auf die Zugspitze. Die Japaner und Italiener, die mit der Zahnradbahn da hochkommen, machen das auch. Letztere gerne auch in Gucci-Sandalen …
Auch wenn ich zum Teil ganz schön Muffensausen bekam, es hat sich gelohnt, der Ausblick auf die umliegenden Gipfel war einfach gigantisch. Jetzt noch ein kühles Helles und ein paar Kasspatzen und ich würde mich fast wie im Karwendel fühlen. Auf dem Rückweg machten wir uns noch auf die Suche nach der Neelakurinji. Das war eine ganz seltene Schönheit, die wohl nur alle zwölf Jahre blüht, in blau-violett. Das letzte Mal war das im Herbst 2006. Habe mir 2018 schon mal in meinem iCloud Kalender notiert.
Die Rikscha hatten wir ein bisschen abseits des Straßenrands hinter ein paar Büschen und Bäumen versteckt. Eigentlich durfte man nicht einfach wild parken. Und man konnte wohl auch nicht sicher sein, ob nicht irgendwelche Spitzbuben etwas mit der Rikscha anstellten. Wir hatten Glück: Wir waren nicht abgeschleppt worden, hatten noch alle vier Reifen und konnten wieder Richtung Munnar brausen, vorbei an den zahlreichen Tea Estates. Dabei sahen wir auch ein paar Teepflücker, die heute wieder arbeiten mussten.
Die Besichtigung einer Teefabrik schenkte ich mir. Wie Tee hergestellt wird, hatte ich schon mal auf Sri Lanka und in den Cameron Highlands in Malaysia gesehen. Wobei, so ein bisschen Tee von „vor Ort“ zu kaufen hätte schon was. Während Ganesh in einem der Rikschafahrer-Treffs seinen Lunch zu sich nahm, stromerte ich ein bisschen durch die paar Läden von Munnar Bazaar. Mir hatte jemand erzählt, dass es hier einen ganz besonderen weißen Tee geben soll. Den entdeckte ich auch, war aber auch ganz besonders hochpreisig. Durch mehrmonatiges Rumschleppen im Rucksack würde der bestimmt nicht besser werden. Also keinen weißen Tee aus Munnar.
Als Ganesh wohlgesättigt zurückkam, wollte ich noch schnell zum zweiten Busbahnhof fahren. Ich hatte mir nämlich überlegt, über Madurai weiterzureisen zu meinem nächsten Ziel. Das sollte Mysore sein. Madurai war berühmt für seinen riesigen Tempelkomplex. Der sollte sehr beeindruckend sein, war mit seinen üppigen, bunt bemalten Figuren aber wohl auch der einzige Farbklecks in einer sonst nicht so attraktiven Stadt. Ganesh hatte mir tags zuvor schon gesagt, dass momentan keine Busse zwischen Munnar und Madurai verkehrten, da Kerala und Tamil Nadu immer noch im Clinch lagen wegen der Wasserversorgung. Ich wollte mich aber selbst überzeugen. Tatsächlich. Der Parkplatz war voller Busse, aber kein einziger Fahrer weit und breit. Da ging wirklich nichts. Ganesh hatte die abenteuerliche Idee, er könne sich ein Auto besorgen, mich bis zur Grenze nach Tamil Nadu bringen und von dort einen Kumpel organisieren, der mich nach Madurai fährt.
Ich war ja durchaus flexibel, was meine Reisemittel angeht, aber das war mir dann doch ein bisschen zu abenteuerlich. Die Grenze zwischen den beiden Bundesstaaten lag mitten in den Bergen. Die Vorstellung, dort im Niemandsland zu stranden, weil der Kumpel aus Tamil Nadu den Termin vergessen hat oder aus sonstigen Gründen nicht auftaucht, behagte mir nicht so. Also kein Sri-Minakshi-Sundareshwara-Tempel in Madurai. Das war wirklich schade. Aber es wäre sowieso schwierig geworden, von dort weiterzukommen nach Mysore. Der Zug Richtung Bangalore war schon ausgebucht und mit den Bussen sah es nicht besser aus. Ich erfuhr, dass aus Munnar ein Bus nach Mysore fuhr. 13 Stunden, Ankunft nachts um drei Uhr. Das fand ich auch nicht so wahnsinnig verlockend. Ich hatte immer noch die Hoffnung, dass ich auf der Warteliste im Zug von Ernakulam nach Bangalore weiter vorgerückt war. Ein Bick in den altersschwachen Computer des Glenmore Resort sagte mir jedoch, dass sich da bislang nicht viel getan hatte.
Ich fuhr am nächsten Tag trotzdem nach Ernakulam zurück. Im Zweifelsfalle würde ich von dort mit dem Bus nach Mysore fahren. Erst musste ich aber die Fahrt mit dem Local Bus zurück an die Küste überstehen. Ich fragte den Hotelmanager nach den Abfahrtzeiten und ob er mich vielleicht an der Bushaltestelle absetzen könnte. Er wackelte mit dem Kopf. Obwohl ich diese typische Kopfbewegung ja schon kannte – wackeln heißt meistens soviel wie „ja“ oder „geht klar“, manchmal aber auch „ich weiß es eigentlich nicht, sage aber einfach mal ja“ – war ich irritiert und fragte ihn gefühlt drei bis fünf Mal, ob das klar geht. Sicher ist sicher. Hat natürlich alles geklappt, wie bisher immer alles geklappt hat. Ich fand es zwar ein bisschen komisch, mutterseelenallein an diesem Bushaltestellenschild an der Serpentinenstraße zu stehen – wobei, ganz allein war ich gar nicht, immerhin gab es dort drei, vier kleine Häuschen, vor denen ein paar zahnlose, ältere Herren hockten und Betelnuss kauten – aber irgendwann kam dann tatsächlich ein Bus.
War mir die Herfahrt schon nicht ganz geheuer, die Rückfahrt toppte alles: Der Busfahrer hatte offenbar später noch ein Date, jedenfalls bretterte er mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit durch die Kurven, so dass wir anstatt sechs Stunden nur vier Stunden bis nach Ernakulam brauchten. Es war eine der schlimmsten Busfahrten, die ich bisher erlebt hatte. Auch, weil ich so dringend auf Toilette musste, dass ich schon auf die abwegige Idee kam, mir irgendwie mit meiner Wasserflasche zu behelfen. Bei einem der Stopps unterwegs kurz auszusteigen, war definitiv zu riskant. Bis ich mir den Weg durch das Gewusel an den Busbahnhöfen zum WC gebahnt hätte, wäre der Bus mitsamt meiner Siebensachen schon auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Als wir in Ernakulam ankamen, bin ich sofort in die nächste Kneipe gerannt und habe mein Gepäck in irgendeine Ecke geworfen. Mir war so egal, ob mein Rucksack hinterher noch da war oder nicht. Er war natürlich noch da, und ich erleichtert, im wahrsten Sinne des Wortes.
Wie es nach meiner Fährfahrt zurück nach Fort Cochin der nächste Rikschafahrer schaffte, mich zu umgarnen und auf welchem Wege ich nach Mysore gekommen bin, lest Ihr im nächsten Blogpost! Jetzt wünsche ich Euch erst einmal schöne Weihnachten – hohoho!
Anonymous
25. Dezember 2013 at 14:21ein toller Weihnachtsgruß liebe Alex und wie immer traumhafte Fotos und ein super interessanter Reisebericht! Freue mich immer schon auf den nächsten Blog!
alexandra911
26. Dezember 2013 at 11:11das freut mich 🙂
Manuela
15. Januar 2014 at 11:24Der Ausblick ist grandios.
LG
Manuela
alexandra911
15. Januar 2014 at 22:21der rutschige aufstieg hat sich auf jeden fall gelohnt!
LG,
alexandra
Din
26. Januar 2014 at 15:41Wunderbare Fotos und du fasst deine Erlebnisse so großartig zusammen. Ich habe heute einige Beiträge gelesen, weil mich einiges schon lang interessiert hat. Schön, hier auf so reizende Weise über Ashrams und Rikschas informiert zu werden.
Das mit den Schläppchen könnte mir auch passieren… Ich bin auf Hawaii auch einmal “Aus Versehen” die Berge mit Holzschuhen und Minikleid hoch. Geht ja irgendwie alles.
alexandra911
26. Januar 2014 at 16:18freut mich, dass du ein wenig in meinen indien-abenteuern gestöbert hast 🙂 noch reicht der “stoff” für viele weitere geschichten, aber ich sorge frühzeitig vor und fliege im märz nochmal nach indien, dieses mal leider nur für drei wochen. verfolge deine yoga- und lauferlebnisse übrigens auch mit großem interesse!