Nach dem kurzen Abstecher nach Rishikesh geht es zurück nach Amritapuri, ins Ashram von Amma. Die erste Nacht in dem pinkfarbenen Hochhaus war furchtbar, die Luft in unserem Zimmerchen im zwölften Stock stand und ich weiß nicht, wie oft ich mich auf meiner Kunststoffmatratze hin und her wälzte und mich dabei mit meinem Schlafsack verhedderte. Irgendwann gab ich es auf, den Kontakt zu der fiesen Plastikhülle der Matratze zu vermeiden, egal, ob ich daran festklebte oder nicht. Ich schaute immer wieder auf die Uhr und hoffte, dass die Nacht bald vorbei war. Ich konnte mich aber trotzdem nicht aufraffen, um 4.30 Uhr aufzustehen, um gemeinsam mit unseren weißgewandeten Mitbewohnern die „1.000 Namen der göttlichen Mutter“ zu singen. Die Rezitation der Namen wirkt angeblich erhebend und anregend. Das Singen von Mantren zu Durga, Lakshmi, Saraswati, Kali, Devi, Parvati, Shakti und den übrigen 993 Namen konnte mich zu dieser Uhrzeit jedoch so gar nicht erheben. Der einzige Lichtblick war eine kalte Dusche und die Aussicht auf ein leckeres Frühstück.

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Die umgerechnet knapp zwei Euro, die wir pro Nacht im Ashram bezahlten, beinhalteten eigentlich auch zwei Mahlzeiten in der „Indian Canteen“. Man hatte uns jedoch vorgewarnt, dass das Essen dort sehr indisch sein soll und die hohe Dosis an Chilischoten für westliche Mägen nicht geeignet sei. Tatsächlich standen dort auch nur die indischen Bewohner des Ashrams für ihr Frühstück an. Wir entschieden uns also für ein westliches Frühstück im „Western Café“. Das war ein Wagen, der wie eine Frittenbude aussah und DIE Anlaufstelle für alle westlichen Bewohner des Ashrams war, auch die Hardcore-Longterm-Residents kamen hierher. Leider war Fotografieren auf dem Gelände unter Androhung des Rausschmisses strengstens verboten, so dass ich vom Alltag im Ashram nur ein paar wenige heimlich geschossene Fotos habe.

Es gab köstliche vegane Muffins und Kuchen, eine joghurtähnliche Speise mit einer Art Honig, Omelette, Toast und Granola, ich kam mir vor wie in einem Café am Prenzlberg. Das Highlight war eine original italienische Espressomaschine, die wahrscheinlich irgendein westlicher Kaffee-Aficionado gespendet hat, der auch hier nicht auf seinen morgendlichen Koffeinschub verzichten wollte.

Ich war begeistert. So schlimm war es hier doch gar nicht. Die Damen, die mit uns an dem runden Tisch vor der Bude saßen, waren auch ganz gesprächig und auch als Neuling wurde man mit einem freundlichen „Om Namah Shivaya“ (was so viel heißt wie „ich grüße dich und das Gute in dir“) begrüßt. Meine Mitbewohnerin Sîan ließ sich trotzdem nicht davon abbringen, weiterzufahren. Nach zwei Tassen Cappucchino und Geschirrspülen brachte ich sie zu ihrem Taxi und überlegte, was ich mit dem Tag noch so anfangen könnte. Vielleicht konnte ich mich ja irgendwo nützlich machen. Mal wieder ein paar gute Karmapunkte sammeln!

Bei Amma hieß der gemeinnützige Dienst „Seva“. Bei den 2.000 Leuten, die hier lebten, gab es noch mehr zu tun als bei den Sivanandas. Von Recycling über Kochen wurde hier alles von den Bewohnern erledigt. Ich ging zur Rezeption und meldete mich bei dem Seva-Beauftragten. Der schaute in seinen Computer und fand auch einen vakanten Job für mich: Aushilfe in der Wäscherei. Ich bekam einen Bon ausgedruckt, mit meinem Namen, meinem Einsatzort und meinem Arbeitsbeginn. Ich war beeindruckt, wie professionell das hier alles gemanagt wurde und erfuhr, dass ein IT-Freak aus England im Rahmen seines selbstlosen Dienstes diese ausgeklügelte Datenbank programmiert hat.

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Okay, Wäscherein also. Mal sehen, was mich da erwartete. Musste ich wohl am Fluss Wäsche schrubben? Oder die Wäsche auf dem Dach des Hochhauses aufhängen? Das Ashram hatte zum Glück Waschmaschinen. Aber irgendjemand musste die Wäsche vorher sortieren. Buntwäsche. Kochwäsche. Das war mein Job. Als ich mich pünktlich zur Arbeit einfand, bekam ich eine Schürze, ein paar OP-Gummihandschuhe, die schon nach zwei Sekunden von innen total schwitzig waren und eine Einweisung. Ich musste die Bündel und Tüten mit der Dreckwäsche aufmachen, kontrollieren, ob die Zettel richtig ausgefüllt waren, wo noch nicht geschehen den Namen in die Kleidungsstücke schreiben und die Wäsche sortiert in Körbe verteilen. War das jetzt besser oder schlechter als Spinnenjagen oder Mülleimer entleeren? Irgendwie hatte ich wohl ein Händchen für die weniger angenehmen Jobs. Warum wurde ich nicht mal als Barista an der Espresso-Maschine eingesetzt? Hatte man Angst, ich würde zu viel Cappucchino selber trinken? Egal, ich schlüpfte auch nach der Mittagspause brav zurück in meine Schürze und die aufgeweichten Handschuhe und bereitete zusammen mit einem anderen Mädel, dessen Namen ich leider vergessen habe, die restlichen Kilo Dreckwäsche für die Waschmaschine vor.

Der Einsatz wurde belohnt. Als ich nach getaner Arbeit Richtung Tempel ging, liefen die Menschen aufgeregt hin und her und versammelten sich auf dem Platz. Amma kommt! Ich war plötzlich auch total aufgeregt. Es hieß, sie würde in den nächsten zehn Minuten eintreffen. Ihr Zimmer lag im Gebäude hinter dem Tempel und ich ließ mich von der Menschenmenge dorthin mitreißen. Dicht an dicht drängelten sich dort bereits unzählige Anhänger in der Hoffnung, einen Blick auf die „hugging mother“ erhaschen zu können. Man musste aufpassen, dass man nicht umgerissen wurde.

Da bog die cremefarbene Limousine um die Ecke. Und hielt genau vor mir. Kein Scherz. Amma stieg direkt vor mir aus dem Auto. Das gibt es doch nicht. Ich konnte nicht anders und musste sie am Arm berühren. Wahrscheinlich denkt Ihr „Jetzt ist sie endgültig abgedreht.“ Ich kann es auch selber kaum erklären, aber diese rundliche, kleine Dame mit dem bunten Punkt auf der Stirn und der weißen Dupatta über ihren dunklen Haaren hatte tatsächlich irgendetwas an sich, das einen tief berührte. Was danach folgte, könnte auch auf dem Petersplatz in Rom stattfinden. Umringt von ihrer Entourage, schritt Amma durch die Menge, stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hoch und winkte huldvoll durch die Gitterstäbe des Fensters. Die Menge johlte, „Amma, Amma“. Was für eine Schau. So musste es sein, wenn Johannes Paul der Zweite oder Pappa Razzi auf den Balkon des Vatikan traten. Zumindest dafür hatte sich die schlaflose Nacht im schweinchenfarbenen Hochhaus gelohnt!

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Amma

Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit investigativen Nachforschungen. Ich wollte unbedingt herausfinden, ob und wann denn Amma nun ihr Dharshan gibt. Der Typ an der Rezeption war glaube ich schon völlig entnervt, als ich ihn schon wieder löcherte. Nein, man wisse es nicht. Amma müsse sich erst einmal ausruhen von ihrer anstrengenden USA-Tour. Vielleicht morgen. Vielleicht aber auch erst in ein paar Tagen. Nun gut, ich wollte ja auch lernen, mich in Geduld zu üben und harrte der Dinge, die da kamen. Jetzt war sowieso erst einmal Zeit für den nachmittäglichen Milk Tea! Hier und beim anschließenden Abendessen traf ich auf allerlei interessante Menschen. Wer wissen möchte, welche Spezies sich eigentlich in so einen Ashram mit einem lebendem Guru verirrte und ob mich Amma noch an ihren Busen drückte, der sollte unbedingt den nächsten Beitrag lesen! Stay tuned!

2 comments

  1. Ja, wie geht es denn weiter Alex? Bin schon total gespannt! LG, Marianne

  2. der spannungsbogen muss ja erhalten bleiben 😉 in den nächsten tagen gibt’s mehr!

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